Einen Menschen photographieren zu wollen, sollte voraussetzen, den anderen zu kennen. Doch selbst dann, wenn wir glauben uns zu kennen, ist damit in der Regel nur eine oberflächliche Dimension gemeint, denn finden wir den anderen sympathisch, mögen ihn, irgendwie, ohne eine tiefergehende Beziehungsebene erreicht zu haben, sind wir nur frei von Dichte und Beziehungsgeflecht.
Die Photographie widerspiegelt den Stand der Dinge, nicht einmal dann, wenn beide sich Mühe geben, ein Stückchen Leben gut zu inszenieren, immer wird offensichtlich, daß es sich um eine theatralische Aufführung handelt. Das Einfrieren für einen Moment offenbart alles, jede Emotion, die vorgegebene Künstlichkeit, emotionale Überforderung oder Disharmonie beinhaltet, macht sich im Körper bemerkbar.
Die Photographie der Bleichgesichter
Es gibt Photographen und Modelle, die geben sich keine Mühe, sich zu inszenieren. Sie scheinen bad zu sein, egal ob gestylt oder nackt, der Blick bleibt kalt, und genau dieser inneren Haltung, der alltäglichen Gewohnheit, folgt der gesamte Körper, die Mimik, wenn sich noch von Mimik sprechen läßt, sogar die Überarbeitung des Auftritts entfernt alles, was verraten könnte, ein Mensch könne menschlich sein. Roboter unter sich. Keine Muttermale, keine Falten, keine Agne. Der weiße Mann macht das Mädchen zum Bleichgesicht.
Diejenigen, die es gut miteinander meinen, und doch nicht vertraut sind, weder mit sich, noch dem anderen noch mit humanistischen Idealen, stehen immer noch vor der Falle der Künstlichkeit, benutzen sich gegenseitig für einen Egomania-Trip. Lassen wir sie dabei oder suchen wir nach kreativen Wegen, die Nicht-Inszenieren und gleichzeitige Inszenierung ermöglichen?
Eine Situation ist Spiegel der Beziehung
Der Ort des Geschehens läßt sich gemeinsam bestimmen, grundsätzlich an einem Ort der Kraft, dort, wo sich beide wohlfühlen, das Modell sogar noch mehr als der Photograph. Das Licht, die Tageszeit überlassen wir dem Zufall, denn es kommt nicht primär auf die Phantasie und das Wollen des Machers an, sondern auf den Moment, wann es stimmig ist, gemeinsam in diese photographische Situation zu gehen.
Es gibt nicht das Modell an sich. Entweder okkupiert der Photograph das Geschehen und sucht sich ein williges Opfer, das zu seinen Plänen paßt. Oder beide kreieren eine Situation, die Selbstverwirklichung und Wohlergehen des anderen ermöglicht. Die Situation ist Spiegel der Beziehung, enthält Facetten des Seins und der Möglichkeiten, ansatzweise oder stärker durchgezeichnet. Das Etikett einer künstlerischen Arbeit wird aufgelöst, und beide definieren Spielregeln des Miteinanders, formulieren Wünsche und Erwartungen, begeben sich in den Raum, um sein zu können und bestimmen Nähe und Distanz zueinander.
Ein Mensch, der die Stille liebt – und einen Platz aufsucht, an dem er still sein kann, benötigt in der photographischen Situation einen Menschen, der Stille nicht nur akzeptiert, sondern einen, der ebenso die Stille liebt. In der Stille sich zu entfalten, das ist der einfache und schöne Wunsch, verbunden zu sein; nicht zu machen, sondern einfach nur sein, keine Mimikspiel, keine Action, Stille im ganzen Körper.
Spiritualität in der Photographie
Die Kunst, Nicht-Kunst zu akzeptieren – aus der Sicht des Photographen – ist der Weg, das Miteinander zu wollen, nicht hinterlistig, um ein verborgenes Ziel zu erreichen, sondern um eine Annäherung zu erreichen, das Innere und das Äußere in Einklang bringen zu können, Bild und Abbild eines anderen Menschen und der Situation zu schaffen.
Die Möglichkeit, die spirituelle Dimension als spielerische Komponente zu nutzen, führt zur Einführung neuer Begrifflichkeiten, die indianischen Wesenheiten des Ostens, Südens, Westens und des Nordens sensibilisieren für Ebenen, die hinter der wahrnehmbaren Wirklichkeit liegen. Stille, ehrliches In-Sich-Ruhen und Verbundensein mit allen anderen Lebewesen, den Bäumen, dem Wasser und den Gräsern, ist immer Ausdruck, nur introvertiert.
Daß der Blick nach Innen sein darf, ohne daß der Photograph um die innere Landschaft des anderen Menschen weiß, hüllt das Modell in emotionale Sicherheit, kann zu einer verdichteten Stille führen, die notwendig ist, um das Leben als Leben zu fühlen, sich selbst näher kennenzulernen, die Schichten, die mit der Stille verbunden sind, neu entdecken zu können.
Inszenierte Stille oder stille Inszenierung?
Wenn beide Stille mögen, weniger die eigentliche Inszenierung, die aber dazu gehört, minimal, wenn Stille natürlich erscheint, dann ist genau das der künstlerische Ausdruck – ein Bild aus der Stille, das gemeinsame künstlerische Ergebnis eines unsichtbaren Prozesses.
Es muß nicht der formulierte Weg sein, der in die Stille führt. Es ist intuitives Arbeiten, respektvolles und würdevolles Arbeiten, ein Folgen der Impulse, ein Leben im Hier und Jetzt, das im Moment geschieht, und das aus sich heraus den nächsten Moment gebiert.
Stille. Welch schönes Geschenk von Spirit.
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Burcado Nowak
2011
Wow, das ist ein tolles Bild, die Frau sieht aus wie eine echte Fee. Und es ist schön jemanden zu sehen, der natürlich schön ist und nicht aus diesen Hochglanzmagazinen kommt und sonst irgendwie hochgepusht ist. Mein Kompliment an den Photographen und an das Model 🙂