Egal, welche Themen, Fragen und Aspekte uns wichtig sind – immer wieder stelle ich mir die Frage, was bringt uns dem Frieden näher. Was verschärft Konflikte? Was wäre ideal, um würdevoll miteinander umzugehen?
Immer wieder denke ich an das Geschehen in der Weimarer Republik. Die KPD hätte die Möglichkeit gehabt, mit der SPD den Faschismus zu verhindern, wäre sie anders mit der Leitung und den Mitgliedern der anderen Partei umgegangen.
Ich überprüfe auch mein Verhalten; ich darf so sein wie ich bin – als Künstler und als Mensch. Bei der Kunst will ich keine Schere im Kopf haben, auch nicht bei Essays oder Einschätzungen. Doch ich kann bei anderen Menschen den Finger auf gewisse Wunden legen – manchmal sehe ich Verhaltensweisen oder Ansichten, die ich nicht mag.
Ich beginne zu lernen, dass der andere Mensch ein sehr hohes Lernpotential hat, und allein darin liegt eine große Chance – die Kunst des Lernens, des Wahrnehmens und der Reflexion. Alles geht leichter, wenn wir darum wissen, dass der andere Mensch es kann.
Mit einem Beispiel. Eine Facebook-Freundin hat einen Beitrag von einem sogenannten spirituellen Lehrer gepostet. Nun habe ich mir seine Ideen angeschaut, und denke mir, hoppla, da stimmt etwas nicht. Ich interpretiere es als äußerst sanfte Propaganda für den Krieg und gebe meinen Senf als Kommentar dazu.
Sie antwortet sinngemäß, dass ihre spontane Reaktion meiner Ansicht entsprochen habe. Allerdings sei sein Beitrag jedoch interpretationsbedürftig und so sei sie zu dem Schluss gelangt, dass ihr Lehrer nur provozieren wolle, damit sein Fanclub zum richtigen Denkergebnis käme.
Daraufhin folgte bei mir wieder Recherche und der sogenannte Lehrer positionierte sich (bei mir) immer schlechter. So gab ich meinen nächsten Senf in die Diskussion. Das Ergebnis: Ich wurde umgehend gelöscht (und der gesamte Vorgang dito).
Nun, das hatte ich nicht erreichen wollen. Es tut weh, gelöscht zu werden und keine Chance zu haben …
Worin liegt wohl mein Fehler? Ich wollte mein Netzwerk vergrößern, und es ist legitim, es zu tun. Wir haben es auch im Internet mit Schwingungen zu tun, die wirken, selbst wenn wir den anderen Menschen nicht direkt vor uns haben. Ich habe eine liebe Freundin auf Facebook, und wir sind nach gut einem Jahr auf die Idee gekommen, miteinander zu telefonieren …
Aber ich habe die Ebene der Ansichten unterschätzt. Manche Menschen sind sofort verletzt, wenn sie einen Kommentar erhalten, den sie nicht aushalten können.
Ansichten lassen sich nicht virtuell verändern. Der andere Mensch arbeitet an seinen Pforten der Wahrnehmung – oder er oder sie tut es nicht. Das Facebook-Spiel kann sehr schnell zu Grenzen führen, und es ist besser, genau zu wissen, wo die eigenen Stärken und Schwächen liegen.
Veränderungen, so denke ich, lassen sich nicht virtuell erreichen. Tiefgreifende Transformationen geschehen nur im wirklichen Kontakt. Selbst die Kommunikation über einfache Konflikte kann manchmal schwer sein. Gelingt dies, kann eine größere Aufgabe gelöst werden. Vertrauen ist von Bedeutung. Ein Ritual verspricht Schutz und Gelingen.
Die Bedingungen für eine würdevolle Kommunikation entsprechen einem indianischen Redekreis, der in sich so gesettet ist, das es leichter fällt, seine Ansichten, Gefühle und Gedanken darzustellen, weil es in Einklang mit der höchsten Entität geschieht. Ein Mensch stellt sich dar – im Kontext seiner Gruppe und des gemeinsamen Anliegens. Die anderen entwickeln in seiner Redezeit die Qualität des Zuhörens. Es ist kein Schlagabtausch, es ist keine Agitation oder Propaganda. Es ist Ehrlichkeit aus sich heraus. Das kollektive Wir, das ich mag, ist ein Wir des Bewusstseins, der Erkenntnis, der Akzeptanz und der Freiwilligkeit.
Das Wissen um diese Tatsache macht es leichter, toleranter mit anderen Menschen zu sein.